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Name: Florian Fischer
Titel der Arbeit: „Waidmannshail (G8-Gipfel Heiligendamm)“
Hochschule: FH-Potsdam
Jahr: 2007
Betreuender Professor: Dozent Michael Trippel (Ostkreuz / Stern)
eMail: mail@flofischer.de
Website:
www.flofischer.de
Wer bist du und was machst du gerade?
Ich habe vor wenigen Wochen mein Studium als Diplom Designer beendet.
Meine Schwerpunkte sind Plakatgestaltung und Fotografie, häufig tendiere ich dabei zu sozial und gesellschaftlich relevanten Themen. Momentan arbeite ich als Freiberufler und organisiere Ausstellungen.
Um was geht es in deiner Arbeit?
Es geht nicht darum, Schaufensterdekorateur zu sein – häufig wird der praktische Wert einer Arbeit durch seine ästhetische Präsentation überhöht.
Ich verstehe mich als Autor und betrachte die Konzeption einer Arbeit als ebenso entscheidend wie die Präsentation.
Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Im Sommer 2007 besuchte ich viermal Heiligendamm und Rostock. Vor während und nach dem Gipfel. Ich fotografierte Demonstranten und Polizisten. Auch Steine werfende Autonome und brennende Autos befinden sich auf meinen Negativen. Doch diese Motive sind uns bereits vertraut. Sie haben sich in unser kollektives Bildergedächtnis eingebrannt. Spätestens seit den G8-Ausschreitungen in Genua, wo die Situation derart eskalierte, dass ein Demonstrant von einem Polizisten erschossen wurde. Die in den Zeitungen wiedergegebenen Aufnahmen des deutschen G8 Gipfels 2007 boten lediglich eine andere Kulisse. Die Globalisierungskritiker und ihre Ziele sind vermutlich dieselben. Man sah darauf vermummte Demonstranten, die Steine in Einkaufswagen sammelten oder extrem rabiate Polizisten, die Störenfriede mit dem Gesicht nach unten auf den Asphalt drückten.
Was lernen wir aus diesen Bildern? Sind es nicht nur Duplikate aus vergangenen Nachrichtensendungen mit aktuellem Datum versehen? Befriedigen sie nicht nur ein oberflächliches, voyeuristisches Bedürfnis das Leid anderer zu betrachten und unterstützen damit nur das groß arrangierte Spektakel? Sollen diese Bilder uns vielleicht unterhalten? Als Informationsträger dienen sie zumindest nicht. Vielmehr untermauern diese Szenen bereits gut gepflegte Vorurteile über debile, idealistisch verblendete Vandalen, die politische Anlässe zum Randalieren nutzen. Mit den vermeintlich groben und sadistisch veranlagten „Bullen“, die unschuldige Demonstranten schikanieren wird auch nur ein weiteres Klischee aus dem maroden Holz eines Stammtisches bedient. All diese Pauschalurteile, wohlgenährt durch eine oberflächliche Berichterstattung, lassen uns auf dem Fernsehsessel zufrieden zurücklehnen und über diese uns schon lang bekannte Idiotie nur zynisch lachen. Schnell findet man sich im Sog der Lethargie, die sich nichts aus den Nuancen zwischen Schwarz und Weiß macht. Vor lauter Alternativlosigkeit fühlt man sich zur meinungslosen Ohnmacht abgedrängt.
Für diesen Bildband wurden Fotografien ausgewählt, die im Sinne eines „Antitainments“ versuchen die Lautstärke aus dieser plakativen Machtinszenierung herauszufiltern. Mit dem Ziel den Fokus auf Momente zu legen, die weniger Gehör in der medialen Berichterstattung fanden aber über wesentlich mehr Tiefgründigkeit und Assoziationsreichtum verfügen. Auch wenn sich keine Bilder in dem Buch finden, die demonstrativ Gewalt abbilden, spiegelt sich doch eine subtile Aggression in vielen Aufnahmen wider, die mich mehr beängstigt als ein Steine werfender Demonstrant. Auch der Fakt, dass der Gipfel in Deutschland, genauer im Osten, stattfand ist wesentlich. Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit der höchsten Arbeitslosenquote und einer stetigen Abwanderung. Viele Bilder bieten bewusst Analogien zu deutscher Geschichte und Tradition des Bürgertums.
Wie geht’s weiter? Gibt es schon neue Projekte?
In meiner Diplomarbeit habe ich mich fotografisch mit dem Themenpark „Tropical Islands“ nahe Berlin auseinandergesetzt. Gebannt von der Absurdität und Mannigfaltigkeit dieses Ortes, der so anschaulich gesellschaftliche Verhältnisse in verdichteter Form erkennen lässt, verbrachte ich den Jahreswechsel 2008/2009 und viele weitere Tage und Nächte bei 26°C unter Palmen und Stahlhimmel. Mein Verhältnis zum Tropical Islands ist von Ambivalenz geprägt, die Faszination für den glückseligen, unterhaltenden Ort rivalisiert mit der Ablehnung des kulturlosen, entseelten Regenwaldimitats.
Etwas irritiert, aber auch fasziniert habe ich mir jetzt die Bilder schon mehrmals angeschaut und finde sie, besonders im Kontext der Arbeit, sehr poetisch. Ich freue mich schon auf die Bilder zu „Tropical Islands“ und danke dir für das Interview.